Der Tempel von Elst-Westeraam
Dieser Tempelkomplex wurde vor kurzem bei Arbeiten in Elst freigelegt. Bei der Ausgrabung kamen Daten zutage, anhand derer das Tempelgebäude und der umliegende Hof relativ detailliert rekonstruiert werden konnten. Die Rekonstruktion von Kees Peterse zeigt, dass dieser gallorömische Tempel eine monumental gestaltete Front hatte.
Rekonstruierte Ansicht des Heiligtums von Elst-Westeraam von Osten aus gesehen. Links im Hintergrund das Dach des großen Tempels, der in der Mitte der römischen Siedlung stand. Computerstandbild: Gerard Jonker.
Einer der größten gallorömischen Tempel wurde 1947 bei einer Ausgrabung unter der niederländisch-reformierten Kirche von Elst entdeckt. Einst bildete dieser Tempel das Herzstück einer wichtigen Siedlung an einer Kreuzung verschiedener Straßen durch die Betuwe-Region. Außerhalb dieser Siedlung, auf dem Lande, befand sich an einer Straße nach Osten ein kleinerer Tempel, circa 500 m von der großen Version entfernt. Die Reste dieses kleineren Tempels wurden 2002 im Vorfeld der Bauarbeiten für das Neubauviertel Westeraam ausgegraben.
Um 100 n. Chr. wurde er an der Stelle, wo sich einige Vorgänger aus Holz befunden hatten, aus Stein erbaut. Er stand mitten auf einem Grundstück von circa 50 x 70 m, das mit einem Holzzaun eingezäunt war. Nachdem er ungefähr ein Jahrhundert lang in Gebrauch gewesen war, verfiel der Tempel langsam zu einer Ruine.
Rekonstruierte Ansicht des Heiligtums von Elst-Westeraam von Westen aus gesehen. Das Heiligtum stand am östlichen Ufer eines Wasserlaufs zwischen Waal und Rhein, der damals noch befahrbar war, später jedoch verlandet ist. Heiligtum und Tempel waren zum Westen hin geöffnet. Computerstandbild: Gerard Jonker.
Rekonstruktion
Im Auftrag des Bureau Archeologie der Stadt Nijmegen erstellte Kees Peterse eine Rekonstruktion des Steintempels. Der von ihm rekonstruierte Grundriss des Tempels wurde nicht weit von seiner Fundstelle in Originalgröße mit schwarzen Pflastersteinen entlang der Tempellaan visualisiert.
Auf die Fundamentreste des Tempels kann ein Grundriss projiziert werden, der aus zwei Rechtecken von 5,7 x 7,9 m und 13,2 x 14,2 m besteht. Im inneren Rechteck befand sich das Kerngebäude, im äußeren der ringsherum laufende Säulengang. Der Säulengang ist auf der Westseite 1,2 m breiter als auf den drei anderen Seiten. Außerdem laufen die Nord- und Südmauer des Kerngebäudes hier etwas weiter und an der Westmauer vorbei. Das weist darauf hin, dass der Tempel zum Westen hin geöffnet war.
Grundriss des Heiligtums von Elst-Westeraam um 100 n. Chr. mit dem Tempel (1), einem Brunnen (2) und dem Zaun (3). Die grauen Bereiche sind nicht ausgegraben. Nach: H. van Enckevort & J. Thijssen (red.), In de schaduw van het Noorderlicht. De Gallo-Romeinse tempel van Elst-Westeraam, 2005, 47.
Rechts: Rekonstruierter Grundriss des Tempels. Zeichnung: Kees Peterse.
Rekonstruierte Ansicht des Heiligtums und des Tempels von Westen aus gesehen. Computerstandbild: Gerard Jonker.
Rekonstruierte Ansicht des Tempels von Südwesten aus gesehen mit rechts einem Brunnen. Computerstandbild: Gerard Jonker.
Eine Analyse des Tempelgrundrisses und Untersuchung der erhalten gebliebenen Gebäudefragmente führte zu zwei Schlussfolgerungen, die für die Rekonstruktion von Belang waren.
* Die Säulen, die das Pultdach des Umgangs trugen, hatten toskanische Kapitelle und waren circa 2 m hoch. Aufgrund des höher gelegenen Dachrands müssen diese Säulen auf einer Erhöhung gestanden haben. Das rundherum durchgängige Fundament suggeriert, dass die Säulen nicht alle ein eigenes Punktfundament hatten, sondern auf einer niedrigen Mauer standen.
* Die Vorderseite des Tempels wurde bautechnisch nicht nur im Grundriss, sondern auch im Aufriss besonders hervorgehoben. Der Umgang wurde hier durch ein Portal mit einem Satteldach und einem Giebeldreieck unterbrochen. Die hier verwendeten Säulen waren circa 3 m hoch und hatten vermutlich reicher verzierte, korinthische Kapitelle.
Mit seinem extra Portal auf der Vorderseite gehört der Tempel von Elst-Westeraam zu einer besonderen Gruppe von gallorömischen Tempeln. In diese Tempel wurden Elemente der klassischen römischen Tempelarchitektur übernommen, insbesondere die starke Hervorhebung der Tempelfront. Einige dieser Tempel stehen außerdem auf einem Podium, wie zum Beispiel der große Tempel unter der niederländisch-reformierten Kirche von Elst.
Im Laufe des zweiten Jahrhunderts n. Chr. wurde auf der Südseite des Tempelumgangs ein kleiner Anbau hinzugefügt. Wahrscheinlich zugleich wurde genau gegenüber dieses Anbaus ein ungefähr gleich großes Gebäude in den Zaun auf der Südseite des Heiligtums eingefügt.
Rekonstruierte Ansicht des Vorportals des Tempels von Norden aus gesehen. Computerstandbild: Gerard Jonker.
Rekonstruierte Ansicht des Tempels und des Heiligtums nach dem Umbau im Laufe des zweiten Jahrhunderts. Computerstandbild: Gerard Jonker.
Weiterlesen
K. Peterse, Reconstructie van de Gallo-Romeinse tempel, in: H. van Enckevort & J. Thijssen (red.), In de schaduw van het Noorderlicht. De Gallo-Romeinse tempel van Elst-Westeraam, Abcoude/Nijmegen 2005, 51-63.
K. Peterse, Die Rekonstruktion des gallorömischen Umgangstempels von Elst-Westeraam (NL), in: Th. Ganschow & M. Steinhart (Hrsg.), Otium – Festschrift für Volker Michael Strocka, Remshalden 2005, 285-294. [PDF]
K. Peterse, Reconstructie van de Gallo-Romeinse tempel, in: H. van Enckevort (red.), De Romeinse cultusplaats. Een opgraving in het plangebied Westeraam te Elst – gemeente Overbetuwe (Gld.), Nijmegen 2007 (Archeologische Berichten Nijmegen, Rapport 5), 39-48.
H. van Enckevort & K. Peterse, Erst Holz, dann Stein. Der gallorömische Tempel von Elst-Westeraam, in: M. Hegewisch (Hsrg.), Krieg und Frieden. Kelten-Römer-Germanen, Bonn/Darmstadt 2007, 273-276.
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