Marktplatz (Forum) oder Ausbildungskomplex (Campus) beim Lager der Zehnten Legion in Nijmegen
Die Rekonstruktion, die Kees Peterse von diesem Gebäude erstellte, zeigt einen Komplex überraschender Größe und Monumentalität. Beeindruckend sind außer der riesigen Fläche vor allem auch die Abmessungen der großen Halle oder Basilika auf der Rückseite. Diese neuen Abbildungen bieten Stoff zur Diskussion darüber, was die Funktion dieses enormen Gebäudes gewesen sein könnte.
Direkt außerhalb des Osttors des Legionslagers von Nijmegen befand sich ein großer rechteckiger Gebäudekomplex mit einer Fläche von 137 x 166 m. In der Nähe einiger anderer Legionslager an anderen Stellen in der römischen Welt wurden ähnliche Komplexe gefunden. Auch dort gehörten sie zur Bebauung der Lagervorstadt (Canabae Legionis), der zivilen Siedlung, die rings um ein Legionslager entstand. Hier lebten und arbeiteten vor allem Händler, Handwerker und andere Leute, die Dienstleistungen für die Legionssoldaten erbrachten.
Der östliche Teil des Komplexes wurde bei Ausgrabungen in den Jahren 1973–1979 untersucht. Erst als 1997–1999 auch der westliche Teil ausgegraben werden konnte, konnte der Umfang des Gebäudes ganz bestimmt werden.
Links: Karte der Legionsfestung (braun) und Lagervorstadt (beige) mit einigen der Straßen (Strichellinie = Rekonstruktion). 1 = Marktplatz oder Ausbildungskomplex, 2 = Amphitheater. Nach: W. Willems & H. van Enckevort, Ulpia Noviomagus. Roman Nijmegen, 2009, 25, Fig. 7.
Rechts: Grundriss des Marktplatzes oder Ausbildungskomplexes nach der Rekonstruktion von Kees Peterse. Zeichnung: Gerard Jonker.
Erste Entwurfsskizzen der Rekonstruktion des Marktplatzes/Ausbildungskomplexes. Zeichnungen: Kees Peterse.
Rekonstruktion
Im Auftrag des Museums Het Valkhof in Nijmegen erstellte Kees Peterse 2005 eine Rekonstruktion des Gebäudekomplexes. Diese Rekonstruktion wurde in Form einer Reihe von Computerstandbildern und einer Computeranimation im Museum präsentiert. Im Auftrag der Stadt Nijmegen rekonstruierte er 2009 eine der beiden Säulen, die früher möglicherweise auf dem Innenhof gestanden haben. Eine Rekonstruktion der Säule in Originalgröße aus modernen Werkstoffen bekam dann 2011 einen Platz an ihrer ursprünglichen Stelle in dem inzwischen auf dem Gelände gebauten Wohnviertel.
Aus den Fundamentresten des Gebäudes konnte Kees Peterse einen um die Längsachse symmetrischen Grundriss rekonstruieren. Darin fallen insbesondere die langgezogenen, circa 8 m breiten Hallen auf den Längsseiten und die circa 13,5 m breite Halle mit einer zentralen Apsis auf der Rückseite auf. Spuren von Trennwänden wurden in diesen Hallen nicht gefunden. Vermutlich waren sie über die gesamte Länge offen. Auf der Seite des Innenhofs verläuft vor der hinteren Halle entlang ein gut 5 m breites Band mit abwechselnd größeren und kleineren Räumen. Die drei kleineren Räume wurden als Durchgänge zur großen Halle interpretiert.
Rekonstruierter Grundriss des Marktplatzes oder Ausbildungskomplexes (Zeichnung: Gerard Jonker). Die farbigen Flächen stellen die Holzplattformen dar, die sich möglicherweise auf dem Innenhof befanden.
Der vorne gelegene Flügel hat in der Rekonstruktion eine zentrale Wand mit drei Durchgängen zum Innenhof und als Front einen Säulengang. Auf dem Fundament auf der Innenseite der zentralen Wand wurde eine Wand rekonstruiert, die zum Innenhof hin mit Halbsäulen auf einem durchgängigen niedrigen Sockel verkleidet ist. Zwischen den Halbsäulen befinden sich große Öffnungen, die mit Luken geschlossen werden können. Diese Wand erstreckt sich entlang der Längsseiten des Innenhofs und bildet so auf drei Seiten einen Verbindungsgang mit einer Breite von circa 4,5 m. In der Rekonstruktion bekam dieser Gang auf der Seite des hinteren Flügels die Form eines offenen Säulengangs mit Säulen auf einem durchgängigen niedrigen Sockel als Echo des Säulengangs auf der Vorderseite des Gebäudes.
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Auf dem Grundriss bildet die große Halle zur Rückseite den monumentalsten Teil des Gebäudes. Das zeigt sich nicht nur in den Abmessungen, sondern auch in der Apsis, die hier am Ende der Längsachse zugefügt wurde. In der Rekonstruktion ist die Halle auch der höchste Teil des Gebäudes mit einer Firsthöhe von fast 20,5 m. In der Fassadenansicht vom Innenhof aus bekam der zentrale Eingang zur großen Halle architektonischen Nachdruck durch eine Vorwand aus vier korinthischen Säulen, die ein Giebeldreieck tragen. Auf höherer Ebene wiederholt sich dieses Giebeldreieck vorne auf einer Satteldachkonstruktion senkrecht zum First des Daches über der Halle. Auch die Eingänge zu beiden Seiten werden durch kleinere Giebeldreiecke hervorgehoben.
Rekonstruierter Grundriss des Marktplatzes oder Ausbildungskomplexes von Norden aus gesehen. Computerstandbild: Gerard Jonker.
Rekonstruierte Ansicht der Fassade der großen Halle von der anderen Seite des Innenhofs aus gesehen. Computerstandbild: Gerard Jonker.
Auf einem großen Teil der Innenhoffläche wurden Spuren von über 50.000 Pfosten gefunden, die hier im Boden gestanden haben. Einer Erklärung zufolge dienten sie als Träger für eine große hölzerne Plattform, die einen trockenen und sauberen Untergrund zum Veranstalten von Märkten bot. Diese Erklärung hat Kees Peterse in seiner Rekonstruktion verarbeitet. Eine andere Theorie geht ebenfalls von einer Wirtschaftsfunktion des Gebäudes aus und interpretiert die Pfostenspuren als Überbleibsel von temporären „Viehboxen“, die für regelmäßig im Innenhof stattfindende Viehmärkte bereitgestellt wurden. Wenn das Gebäude als Ausbildungskomplex verwendet wurde, lassen die Pfosten sich als Geräte für die Legionssoldaten zum Üben mit Waffen erklären.
Mitten im Innenhof wurden zwei mehr oder weniger kreisförmige Anhäufungen von Ziegelschutt gefunden. Diese wurden als Fundamente für Monumente in Form einer Säule mit darauf einer Statue interpretiert. Auch diese Interpretation wurde von Kees Peterse in seiner Rekonstruktion verarbeitet.
Rekonstruierte Außenansicht des Marktplatzes oder Ausbildungskomplexes von Südosten aus gesehen, links die große Halle mit der Apsis. Computerstandbild: Gerard Jonker.
Rekonstruierte Ansicht des Inneren der großen Halle im Marktplatz oder Ausbildungskomplex, links der Blick in die Apsis vom zentralen Eingang aus gesehen. Computerstandbild: Gerard Jonker.
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